Die unter anderem auf Verfassungsrecht und Europarecht spezialisierten Rechtsanwälte Dr. Heinze & Partner führen für Ihre Mandantschaft erneut ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), weil Persönlichkeitsrechte eines Mandanten mangels Datenlöschungen nach Auffassung der Rechtsanwälte Dr. Heinze & Partner durch deutsche Behörden verletzt wurden.
Im Durchgang Dezember 2015 liefen im 2. Staatsexamen in Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und anderen Bundesländern zwei Klausuren, deren Inhalt zuvor in den Seminaren im Öffentlichen Recht von Rechtsanwalt Dr. Arne-Patrik Heinze im Vorfeld besprochen wurde - einerseits eine Fallkonstellation aus dem Baurecht/Immissionsschutzrecht und andererseits eine Fallkonstellation mit Kangalfischen (sog. Knabberfische).
[title] Die Erste Juristische Prüfung (1. Examen) - Juristische Repetitorien und Universitäten auf dem Prüfstand [/title]
Seit Jahrzehnten wird die Juristische Ausbildung kritisiert und modifiziert. Ist wirklich alles schlecht? Wir haben versucht, unsere praktischen Erfahrungen aus zahlreichen prüfungsrechtlichen Verfahren und aus unserer Lehrtätigkeit im Bereich der Examensvorbereitung zu nutzen, um sie in einem – wenn auch von manchem Leser als pauschal empfundenen Beitrag – zusammenzufassen.
Schon lange wird versucht, die Juristenausbildung zu reformieren. Mittlerweile wurden im universitären Bereich Zwischenprüfungen eingeführt, in denen unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Der staatliche Teil der Ersten Juristischen Prüfung ist – trotz des Bologna-Prozesses – glücklicherweise nicht abgeschafft worden. Sie ist eine letzte Bastion, die dazu genutzt werden kann, wieder eine strukturierte Denkprüfung für Juristen zu schaffen – in einer Zeit, in der nahezu jeder Ausbildungsberuf mittels zum Teil zweifelhafter Akkreditierungen für aus dem Boden sprießende Hochschulen zum Studiengang angehoben und mit der Verwendung diverser Anglizismen aufgewertet wird. Der staatliche Teil der juristischen Ausbildung ist ein Hauptgrund, warum deutschen Juristen in der Welt noch immer viel Anerkennung entgegengebracht wird. Sie gelten im Vergleich zu den Juristen der meisten anderen Länder noch immer als strukturierte Denker. Eine weitere Verkümmerung insbesondere des Jurastudiums durch frühere Spezifizierung und Multiple-Choice-Prüfungen würde die deutsche Rechtswissenschaft, die derzeit durch den guten Ruf vergangener Tage etabliert ist, endgültig zu einem Fachhochschulstudium verkommen lassen. Durch die Einführung der Multiple-Choice-Prüfungen würden wie im Studiengang Medizin und in vielen anderen Studiengängen völlig falsche Fähigkeiten wie das stupide Auswendiglernen gefördert werden. Falsche Anreize würden gesetzt werden.
Die bisherigen Modernisierungen des Systems haben nicht nennenswert zur Steigerung der Qualität der juristischen Ausbildung und Lehre beigetragen. Es besteht eine Tendenz zur Förderung der Vermehrung zusammenhanglos erlernten Wissens, ohne dabei die Grundlage für jeden guten Juristen im Auge zu behalten – die Systematik. Jura ist letztlich logisch und eine Art „Mathematik in Worten“. Aktuell verkommt sie zu einer Lernwissenschaft. Es wird anstelle des Detaildenkens seitens vieler Prüfer Detailwissen gefordert, das sie selbst nicht haben, jedoch vor der Prüfung aus einer Fachzeitschrift oder Entscheidungssammlung herausfiltern. Das liegt unter anderem daran, dass die Prüfer selbst zum Teil lernorientiert ausgebildet worden und somit nicht in der Lage sind, systematische Argumentationen guter Kandidaten nachzuvollziehen. Die Abwendung von der Systematik ist ein schleichender Prozess, in dem mittelmäßige Anbieter kommerzieller Repetitorien sich mit einigen Universitäten einen Wettkampf im Detaillernen liefern.
Die Bearbeitung anspruchsvoller Fälle ist gut und richtig, um Vernetzungen im Gehirn zu schaffen. Wer vertiefte Strukturen durch die Analyse und Lösung detaillierter Fälle geschaffen hat, ist in der Lage, nahezu jegliche Einordnung einer Fallkonstellation vorzunehmen. Werden Details allerdings nicht genutzt, um Gehirnvernetzungen zu schaffen, sondern um zu suggerieren, das Detailprobleme auswendig gelernt werden müssen, ist schon der Ansatz verfehlt. Und dieser verfehlte Ansatz ist mittlerweile leider regelmäßige Realität. Die Notwendigkeit strukturierten Denkens sowie des präzisen Umganges mit der Sprache wird in der Ausbildung nicht hinreichend berücksichtigt.
Das liegt zum Teil daran, dass Studierende nicht hinreichend vorgebildet zur Universität kommen und auch in der Schule kaum strukturiertes und kritisches Denken gelehrt wird. Es verwundert zudem sehr, dass an Juristischen Fakultäten zum Teil Kurse für Rechtschreibung und Grammatik angeboten werden, weil es an elementaren Grundlagen in diesem Bereich fehlt. Jura lebt von spitzfindigen Formulierungen und dem präzisen Umgang mit der Sprache. Leider wird letzterer den Studenten nicht immer vorgelebt. Ob in Lehrbüchern oder Skripten – es wird oft ungenau formuliert. Redundanzen wie „vorliegend“ oder Aktivformulierungen werden anstelle der Passivformulierungen verwendet, obwohl sie sprachlich falsch sind (z.B. „Das Gesetz sagt...“). Bezüglich wissenschaftlicher Veröffentlichungen zählt in der Wissenschaft vermehrt eher die Quantität als die Qualität. So werden Publikationen künstlich aufgespalten, um eine längere Veröffentlichungsliste zu erlangen. In Publikationen wird anstelle feinsinniger Formulierungen zum Teil unbedacht und gelegentlich sogar umgangssprachlich formuliert. Dies gereicht Studenten zum Vorbild und die Kette wird in der nächsten Juristengeneration fortgesetzt werden.
Die Universitäten tragen für diese Misere zumindest eine Mitverantwortung. Es gibt im Bereich der universitären Ausbildung keine Trennung der Forschung und der Lehre, obwohl diese zumindest partiell sinnvoll wäre. Dieser Missstand könnte jetzt auf den in diesem Bereich restriktiv agierenden Gesetzgeber geschoben werden, jedoch wäre das zu einfach. Es gibt an den Universitäten entsprechende Spielräume und faktisch findet eine Abstimmung zwischen den Universitäten und der Politik statt. So gibt es zum Beispiel Bundesländer, in denen die Schwerpunktprüfung sinnwidrig vor der staatlichen Prüfung erfolgen muss, weil sie dann besser in das Unterrichtsprogramm der einen oder anderen Universität passt.
Es nützt niemandem, wenn Studenten im Anfangssemester in jedem Fachgebiet nahegelegt wird, ein Werk ihres Professors mit 1000 Seiten zu erwerben. Wichtig wäre es gerade zu Beginn, qualitativ hochwertiges Lehrpersonal einzusetzen, das in der Lage ist, unter Einbindung der Studenten Grundstrukturen zu vermitteln, ohne sie mit unübersichtlichen Materialien zu überfordern. Es gibt einige Professoren, die dies sehr gut können und insoweit auch sehr engagiert sind. Bei einem nicht unerheblichen Teil des Lehrpersonals ist dies aber anders. Es wäre ein Ansatz, die Forschung und die Lehre verstärkt zu trennen. Das setzt aber voraus, dass die Lehre in der Wissenschaft verstärkt werden honoriert werden würde. Wenn für die Karriere eines Professors lediglich die Veröffentlichungen (dabei im Wesentlichen die Quantität und nicht die Qualität) und Projekte sowie vermehrt die Akquise von Drittmitteln zählen, fällt es vielen schwer, Motivation für die Lehre aufzubringen.
Gute Ansätze gibt es mittlerweile partiell in wenigen Examensvorbereitungsprogrammen. An sehr wenigen Universitäten wurden Lehrprofessuren geschaffen, mittels derer das Problem angegangen wird. Regelmäßig ist die universitäre Ausbildung aber noch immer wenig systematisch und wenig aufeinander abgestimmt, weshalb die Studenten zur Examensvorbereitung in großer Anzahl kommerzielle Repetitorien besuchen. Bei den kommerziellen Anbietern gibt es im Grunde nur wenige wirklich gute Dozenten, die es fachlich mit dem zum Teil didaktisch leider ungeschulten Universitätspersonal aufnehmen können. Es gibt diverse mehr oder minder seriöse kommerzielle Anbieter für die Vorbereitung auf die Erste Juristische Prüfung sowie die Zwischenprüfung. Während einige Standortleiter renommierter Unternehmen zumindest in wichtigen Kursen regelmäßig Volljuristen unterrichten lassen, gibt es andere Anbieter, die maßgebliche Kurse von Dozenten abhalten lassen, die gerade einmal die Erste Juristische Prüfung bestanden haben. Einige kommerzielle Anbieter haben dabei schon derart zweifelhafte und zweideutige Namen, dass es Studenten nach Absolvierung der Prüfung in Bewerbungsgesprächen trotz Nachfrage der potentiellen Arbeitgeber peinlich ist, diesen zu benennen.
Im Repetitoriumsmarkt bezüglich der Ersten Juristischen Prüfung wird die Unerfahrenheit der Studenten oft schamlos ausgenutzt. Zumindest der Hauptanteil der Studenten kann – anders als Referendare bezüglich des 2. Examens – bei der Wahl des Vorbereitungsprogrammes nicht wirklich einschätzen, ob die fachliche Kompetenz eines Anbieters bzw. Dozenten besteht oder nicht. Selbstverständlich gibt es einige – wenige – fachlich sehr gute Repetitoren. Häufig wird aber fachliche Inkompetenz übertüncht. Einige Dozenten gehen bei Fragen zu Gegenfragen über, wiederholen ihre Antwort und drehen Studierende solange im Kreis, bis diese ihre Frage vergessen haben. Ist diese Vorgehensweise mit einem souveränen Auftreten verknüpft, funktioniert sie offenbar bestens. Andere Dozenten, welche die Systematik ihres Rechtsgebietes nicht durschaut haben, animieren Studenten zum sinnlosen Lernen irgendwelcher Definitionen – stets unter Betonung, dass sie selbst auswendig lernen mussten, weil dies zum Rechtsgebiet dazugehöre. Dabei merken viele Studenten nicht, dass sie letztlich keine hinreichende Struktur erlangen und für diese Art der Dienstleistung kein Geld ausgeben müssten.
Besonders kritisch wird es, wenn ein Dozent verschiedene Gebiete unterrichtet. Einige wirklich gute Dozenten sind tatsächlich in der Lage, mehrere Rechtsgebiete zu unterrichten. Wenn sich aber Repetitoren einiger kommerzieller Anbieter mit ausgewiesener Ahnungslosigkeit durch ein vermeintliches „Nebengebiet“ eines anderen Rechtsgebietes quälen, ist das höchst bedenklich. Wenn dann bedacht wird, dass einige kommerzielle Anbieter das Niveau bewusst niedrig halten, um den Studenten trügerische Sicherheit zu vermitteln und mehr Geld zu verdienen, kann dies nicht der richtige Weg sein. Insoweit müssten die Universitäten mit Fachkompetenz anstelle der irrwitzigen Hausverbote für Repetitorien antworten. Aber dazu fehlen den Universitäten die Ressourcen.
Allerdings lichtet sich auch der kommerzielle Markt ein wenig. Wegen des breiten Angebotes sind nahezu alle Anbieter zur Vorbereitung auf die Erste Juristische Prüfung gezwungen, zumindest partiell qualitativ minderwertige Dozenten zu einem Stundenlohn von € 20,- einzusetzen. Das führt zu häufigen Dozentenwechseln, denn gute Dozenten unterrichten nicht für derartige Stundensätze.
Im Ergebnis gibt es wenige gute kommerzielle Anbieter zur Vorbereitung auf die Erste Juristische Prüfung, jedoch ist die überwiegende Anzahl der Anbieter mit Vorsicht zu genießen. Die Universitäten wären in der Lage, kommerzielle Anbieter bezüglich der Vorbereitung auf die Erste Juristische Prüfung überflüssig werden zu lassen. Allerdings bedürfte es der Ausblendung einiger Eitelkeiten und Streitigkeiten innerhalb der Universitäten und der Veränderung des Systems – zum Beispiel durch die Schaffung der Lehrprofessuren. Es gibt letztlich nur wenige Gründe, warum zum Teil unterhaltsame Dozenten kommerzieller Anbieter trotz regelmäßiger fachlicher Unterlegenheit mehr Zulauf haben als unterhaltsame und fachlich kompetente Dozenten einer Universität. Bei kommerziellen Anbietern erfolgt der Unterricht im jeweiligen Fachgebiet von einem Dozenten und damit aus einer Hand, so dass übergreifende Strukturen geschaffen werden können. Gleiches gilt für die Unterlagen. Wenn es den Universität gelingt, ihr Potential an guten Lehrkräften gezielt einzusetzen und gute Lehrkräfte zu fördern sowie auszubilden, werden kommerzielle Anbieter im Bereich der Ersten Juristischen Prüfung überflüssig werden. Dazu bedürfte es in der Examensvorbereitung jeweils eines Dozenten für das Öffentliche Recht, das Strafrecht sowie das Zivilrecht. Die jeweiligen Unterlagen für den Unterricht müssten von der jeweiligen Person verfasst werden.
Vorbildlich sind dabei nicht etwa – so könnte vermutet werden – die privaten Universitäten. Auch an diesen ist das Examensvorbereitungsprogramm nicht hinreichend aufeinander abgestimmt und eher Stückwerk verschiedener Köpfe, das zum Teil auf alten Examensklausuren, die ohnehin vergangen sind, basiert. Zwar werden die Studenten durch die Vergabe von Credit Points für den Besuch von Veranstaltungen aus dem Examensvorbereitungskurs an manchen Universitäten insoweit gebunden, dass sie anwesend sein müssen, jedoch ändert dies nichts daran, dass das Problem fehlender Grundstrukturen und einer verlässlichen Systematik nicht angegangen wird. Es wird für die Studenten, die dort nunmehr langsam merken, dass die universitäre Ausbildung nicht ausreicht, wohl eher schwieriger, weil sie ihr kommerzielles Repetitorium mit der Pflichtvorbereitung an der Universität vereinbaren müssen.
Ein positives Vorbild und Vorreiter ist sicherlich die Universität Passau, der es gelungen ist, kommerzielle Anbieter durch ein strukturiertes Programm mit Lehrprofessuren nahezu zu eliminieren. Eine beachtenswerte Veranstaltung ist auch die „Aktuelle Rechtsprechung“ der Universität Hamburg, die mit einem Lehrpreis ausgezeichnet und anderweitig bereits mehrfach zu kopieren worden ist, weil mit ihr ein breiter Zuhörerkreis angesprochen wird.
Insgesamt werden universitären Examensvorbereitungsprogramme werden zwar partiell besser. Die Wurzel des Übels wird allerdings meist nicht angegangen. Das Ausbildungssystem müsste langfristig auf Strukturen angelegt werden. Dabei wäre es insbesondere zum Studienbeginn und in der Examensvorbereitung wichtig, im jeweiligen Rechtsgebiet ein Konzept aus einer Hand von Dozenten zu erhalten, das für seine Tätigkeit auch hinreichend honoriert wird. Dabei müsste die Rechtsphilosophie als Grundlage des Rechts einbezogen werden. Eine derartige Umstrukturierung des Systems müsste allerdings mit einer Professionalisierung der Prüfungsämter und vielleicht auch einer Reform der Justiz einhergehen. Denn die Justiz als Basis für angehende Juristen funktioniert – abgesehen von einigen Obergerichten – bei jahrelangen Verfahren und Unterbesetzungen in vielen Bereichen nicht mehr rechtsstaatlich mit der Folge, dass die Akzeptanz für die Justiz in der Bevölkerung zunehmend sinkt. Letztendlich fehlt es dazu allerdings am Geld, denn obwohl der Staat durch stetige Privatisierung bei steigenden Steuereinnahmen zunehmend weniger Aufgaben wahrnimmt, werden Gelder in hohem Maß fehlgeleitet und nicht Bildung, Forschung und Justiz investiert mit der Folge, dass im Bildungs- und Forschungssektor eine gefährliche Drittmittelabhängigkeit entsteht.
[title]Die juristische Aufsichtsarbeit [/title]
In meiner anwaltlichen Praxis, in welcher ich unter anderem im Bereich des Prüfungs- und Hochschulrechts tätig bin, ist mir aufgefallen, dass eine nicht unerhebliche Zahl der Examenskandidaten zwar die notwendigen juristischen Kenntnisse hat, diese jedoch in den Aufsichtsarbeiten anfängerhaft oder unstrukturiert umsetzt.
I. Einleitung
Die Gesamtnote der Ersten Juristischen Prüfung hängt maßgeblich von der Bewertung der Aufsichtsarbeiten ab. Der äußerlichen und der inhaltlichen Präsentation Ihrer juristischen Kenntnisse in Klausuren ist deshalb erhebliche Bedeutung beizumessen. Sie trainieren das Schreiben von Klausuren wöchentlich in Klausurenkursen und müssen dabei feststellen, dass es sich als schwierig erweist, die juristischen Kenntnisse in einer Klausur unter Zeitdruck optimal darzulegen. Häufig fehlen Ihnen nicht die nötigen Rechtskenntnisse, sondern es mangelt an einer überzeugenden Darstellung der Rechtsprobleme. Das kann dazu führen, dass Sie einerseits meinen, die Probleme des Falles erkannt zu haben, andererseits aber enttäuscht sind, weil Ihre Arbeit als „mangelhaft“ bewertet worden ist. Deshalb sollten Sie sich eine Klausurtechnik antrainieren, mittels derer Sie entweder Ihre guten Rechtskenntnisse optimal präsentieren, oder aber unzureichende Kenntnisse zumindest so darstellen, dass Sie noch ein akzeptables Ergebnis erzielen. Nachfolgend werden die aus der Sicht eines Korrektors wichtigsten beachtenswerten Hinweise zusammengefasst.
II. Einstellung
Zunächst sollten Sie sich psychisch auf das Schreiben der Aufsichtsarbeiten einstellen. Ihre Angst vor schlechten Bewertungen ist so weit zu beseitigen, dass Sie die Arbeit unter allen Umständen fertigstellen. Die Devise in jeder Klausur heißt: Die Examensbedingungen bestehen nicht morgen oder in einigen Monaten, sondern jetzt. Nehmen Sie Übungsklausuren ernst. Täuschen Sie sich nicht selbst, und weichen Sie Übungsarbeiten nicht aus. Entscheidend ist letztlich, wie Sie im Examen bewertet werden. Dabei zählt jeder Punkt in den Examensklausuren für die Schlussbescheidung. Nach schlechten Bewertungen in den Übungsklausuren fragt später niemand mehr. Lassen Sie sich nicht von Kollegen einschüchtern, die Ihnen stolz erzählen, in einer Übungsklausur wieder einmal mit einer hohen Punktzahl bewertet worden zu sein, die ihre Klausur aber an zwei Tagen mit Hilfsmitteln am heimischen Schreibtisch oder in der Bibliothek produziert haben. Nehmen Sie die Herausforderung an, Klausuren unter Examensbedingungen zu schreiben, und lassen Sie sich nicht von Ihrer Linie abbringen, selbst wenn Sie zeitweise nur geringe Punktzahlen erreichen sollten. Es gibt sicher bessere und schlechtere Juristen als Sie es sind, jedoch muss jeder gute Jurist hart für gute Bewertungen arbeiten. Sie werden kaum einen „Prädikatsjuristen“ finden, der nicht einmal eine mit „mangelhaft“ bewertete Klausur geschrieben hat.
Wichtig ist es, aus den Korrekturen zu lernen, da individuelle Darstellungsfehler im schriftlichen Bereich durch die Teilnahme an Kursunterricht nicht abgestellt werden können. Vollziehen Sie die Korrekturen deshalb gründlich nach und betrachten Sie nicht nur die Benotung. Nehmen Sie Randbemerkungen nicht persönlich, selbst wenn diese gelegentlich sarkastisch anmuten mögen, und ärgern Sie sich nicht über formale Kritik an Ihren Abfassungen. Zumindest gute Korrektoren wollen Ihre Leistungen optimieren und Sie zu einem möglichst guten Examen führen. Wenn Sie Ratschläge guter Korrektoren annehmen und umsetzen, werden Sie feststellen, dass Sie sich mit der Zeit steigern und anderen Examenskandidaten, denen Klausurroutine fehlt, einiges voraus haben werden. Im Examen gibt es viele Kandidaten, die sich nicht so konsequent und unter so guten Voraussetzungen vorbereitet haben, wie Sie es dann getan haben werden. Sind Sie gut präpariert, wird Ihnen das Examen vorkommen, wie einer der zahlreichen Tage in Klausurenkursen.
III. Zeit
In einer Aufsichtsarbeit stehen Sie unter Zeitdruck. Deshalb benötigen Sie zwar einerseits gute Rechtskenntnisse, andererseits aber auch einen antrainierten Zeitrhythmus. Über gängige Formulierungen dürfen Sie nicht mehr nachdenken. Sie haben für eine Aufsichtsarbeit im Examen fünf Stunden Zeit, sollten es sich aber zum Ziel setzen, Übungsarbeiten in 4 ˝ Stunden zu beenden, um in der Prüfungssituation einen zeitlichen Spielraum zu haben. Je nach Rechtsgebiet sollten Sie sich einen groben Zeitrahmen setzen, den Sie für die Sachverhaltserfassung und die Anfertigung der Lösungsskizze benötigen. Im Strafrecht und im Öffentlichen Recht genügen dafür erfahrungsgemäß 60–75 Minuten, während Sie im Zivilrecht etwa 90 Minuten kalkulieren sollten. Angepasst an Ihre Schreibgeschwindigkeit müssen Sie sich einen Zeitpunkt vornehmen, an dem Sie spätestens mit dem Schreiben beginnen. Die übrige Zeit benötigen Sie nämlich für die Reinschrift.
1. Zeitnot
Sollten Sie dennoch in Zeitnot geraten, schreiben Sie hilfsweise im Urteilsstil weiter. Verzichten Sie nicht auf die Prüfung der Personen oder Ansprüche, sondern kürzen Sie ab. Versuchen Sie stets auszuformulieren, da Stichpunkte einer sachgerechten Lösung nicht dienlich sind. Geben Sie Ihre Lösungsskizze notfalls ab, auch wenn der Prüfer sie wahrscheinlich nicht berücksichtigen wird, weil dies anderen Kandidaten gegenüber, die ihre Arbeit in der vorgegebenen Zeit ausformuliert haben, ungerecht wäre.
2. Fehlerkorrektur
Es mag vorkommen, dass Sie die Hälfte Ihrer Lösung bereits ausformuliert haben und dann merken, dass Ihnen ein Fehler unterlaufen ist. Häufig fehlt Ihnen die Zeit, alles neu zu bearbeiten. In solchen Situationen ist es meist sinnvoll, die falsche Lösungsskizze konsequent auszuformulieren. Zum einen ist erfahrungsgemäß nämlich häufig doch die erste Lösung die richtige, und zum anderen wandelt sich die Lösung bei der Ausbesserung eines Fehlers meist auch an anderer Stelle, so dass es zu viel Zeit kostet, die Arbeit derart zu durchdenken, dass die Lösung schlüssig bleibt. Es ist überzeugender, eine in sich schlüssige Arbeit mit konsequenten Folgefehlern abzugeben, als eine widersprüchliche Lösung zu präsentieren, die Sie möglicherweise nicht einmal fertig stellen. Zudem besteht mit ein wenig Glück die Möglichkeit, dass der Prüfer Ihre Lösung für zumindest vertretbar hält.
IV. Erscheinungsbild
Das Erscheinungsbild der Aufsichtsarbeit ist ein nicht zu unterschätzender Faktor für deren Bewertung. Eine unleserliche und viele Seiten umfassende Klausur wird der Prüfer nicht gerne lesen. Wirkt die Bearbeitung schon optisch unstrukturiert, liegt der Schluss auf eine auch inhaltlich wenig stringente Lösung nahe. Zudem ist die Korrektur einer solchen Klausur für den Prüfer sehr arbeitsaufwendig. Er wird sie deshalb nicht unbedingt wohlwollend zur Kenntnis nehmen und kaum großzügig bewerten.
Präsentieren Sie Ihre Arbeit daher so, dass der Prüfer sie ohne große Anstrengung lesen kann, selbst wenn sie die letzte von einem größeren zu korrigierenden Stapel sein sollte. Gehen Sie nicht davon aus, dass die Korrekturen im Examen zeitaufwendiger, umfangreicher und ausführlicher sind als im Verlauf des Studiums.
Verwenden Sie schon bei den Übungsklausuren - soweit im Examen im jeweiligen Bundesland zulässig bzw. vorgegeben - Blankopapier mit einem Linienblatt als Unterlage. Beschreiben Sie die Seiten halbseitig rechts und benutzen Sie dabei möglichst einen Füllfederhalter und einen Tintenlöscher, um ein gutes Schriftbild ohne Streichungen zu erreichen. Wechseln Sie während einer Aufsichtsarbeit nicht das Schreibgerät, da ein solcher Wechsel Ausdruck mangelnder Vorbereitung ist. Bei Absätzen ist jeweils eine Freizeile erforderlich. Vermeiden Sie Verweisungen auf Seiten und Einfügungen in Form von Fußnoten oder sonstigen Einfügungsseiten. Den Rand und die Rückseite der jeweiligen Seite sollten Sie nicht beschreiben. Wenn Sie tatsächlich einmal einen Text ergänzen müssen, ist dazu möglichst eine neue Seite in die Arbeit einzuheften. Achten Sie außerdem auf die Reihenfolge der Seiten und nummerieren Sie diese.
V. Gliederung der Arbeit
Sie können auf Überschriften verzichten oder Ihre Arbeit mit solchen versehen. Beides ist in Aufsichtsarbeiten vertretbar. Einerseits unterbrechen Überschriften den Lesefluss und kosten unnötig Zeit. Andererseits tragen Überschriften zur Übersichtlichkeit Ihrer Ausarbeitung bei. Letztlich bleibt es Ihnen überlassen, Überschriften einzufügen. Der Praktiker wird im Zweifel Arbeiten ohne Überschriften bevorzugen, während der Theoretiker Überschriften eher zu schätzen weiß. Sinnvoll erscheint es, zumindest für wesentliche Abschnitte Überschriften einzufügen, um die Klausur zu strukturieren. Sie benötigen Überschriften jedenfalls für die Sachurteilsvoraussetzungen und die Begründetheit im Öffentlichen Recht; für Tatkomplexe, Personen und Tatbestände im Strafrecht; für Personenkonstellationen und Anspruchsgrundlagen im Zivilrecht. Im Übrigen ist es vertretbar, den Text der etwaigen Überschriften in die Obersätze zu integrieren.
Beispiele im Öffentlichen Recht:
- mit Überschrift:
Der Verwaltungsrechtsweg kann eröffnet sein. Ist er nicht eröffnet, wird unter Umständen mittels eines Verweisungsbeschlusses gemäß § 17a Abs. 2 GVG iVm § 173 VwGO an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges verwiesen. Der Verwaltungsrechtsweg kann mangels aufdrängender Sonderzuweisung nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet sein. Voraussetzung dafür ist zunächst eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art…
- ohne Überschrift:
Beispiele im Strafrecht:
- mit Überschrift:
Der objektive Tatbestand muss erfüllt sein. Dazu muss gemäß § 242 Abs. 1 StGB eine fremde bewegliche Sache weggenommen worden sein.
- ohne Überschrift:
Wenn Sie sich entschließen, auf Überschriften zu verzichten, sind Gliederungspunkte dennoch unerlässlich. Sie sind für einen stringenten Prüfungsaufbau von erheblicher Bedeutung, unabhängig davon, ob Sie die Gliederungspunkte zusätzlich mit Überschriften versehen oder nicht. Entwickeln Sie deshalb für jedes Rechtsgebiet ein Gliederungssystem. Achten Sie darauf, dass auf einer Gliederungsebene nach dem ersten immer ein zweiter Gliederungspunkt folgt.
Beispiele:
Untergliedern Sie – wenn möglich – nicht zu dezidiert, da der Leser sonst zu sehr auf die Gliederung achten muss und möglicherweise gezwungen wird, zurückzublättern. Das unterbricht den Lesefluss.
VI. Stil und Sprache
Da die Sprache die äußere Form des Rechts darstellt, sollten Sie sich um einen möglichst klaren und präzisen sowie fehlerfreien Sprachstil bemühen. Dazu gehört es zunächst, Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler zu vermeiden, um keinen negativen Gesamteindruck zu vermitteln. Darüber hinaus sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:
1. Klar gegliederter Satzbau
Formulieren Sie in prägnanten Sätzen. In Klammern gefasste Einschübe stören den Lesefluss. Fügen Sie diese deshalb in den Fließtext ein.
2. Sparsamer Wortgebrauch
Formulieren Sie sparsam, aber präzise. Ein Gedanke muss so formuliert werden, dass sein einmaliges Lesen überzeugt. Breite Umschreibungen, Wortwiederholungen oder Ausschweifungen lassen auf Unsicherheit schließen. Vermeiden Sie unnötige Wiederholungen des Sachverhaltes.
3. Fremdwörter
Fremdwörter und lateinische Fachausdrücke sollten Sie vermeiden. Wenn Sie diese doch verwenden, dann nur, wenn es sich um verbreitete und anerkannte Fachausdrücke handelt. Der rechtswissenschaftliche Charakter einer Arbeit braucht nicht durch die Verwendung der Fremdwörter bewiesen zu werden. Außerdem ist die Gerichtssprache nach § 184 GVG grundsätzlich deutsch.
4. Zitate und Abkürzungen
Zitate und Quellenangaben gehören nicht in den Text einer Aufsichtsarbeit (Negativbeispiel: „Wie schon das BVerfG im Apothekerurteil in BVerfGE …“). Es sollten nur allgemein anerkannte Abkürzungen verwendet werden („z.B.“, „u.U.“…).
5. Sprachstil
Verwenden Sie die juristische Fachsprache und vermeiden Sie sprachliche Neuschöpfungen ebenso wie einen besonders farbigen oder originellen Stil. Vermeiden Sie Ungenauigkeiten und verzichten Sie auf inhaltsleere Floskeln und Füllwörter, die Ihre Lösung verwässern. Als negative Beispiele seien genannt:
Stellen Sie bei Streitfragen Auffassungen, die Sie ablehnen, im Konjunktiv irrealis dar, nicht aber solche, denen Sie folgen wollen. Falls Sie Möglichkeiten im Ergebnis ablehnen verwenden Sie „könnte“ und „müsste“. Folgen Sie einer Rechtsthese im Ergebnis sind „kann“ und „muss“ zu verwenden. Sie müssen als innnerhalb der jeweiligen Aufsichtsarbeit also die Formulierungen je nach Argumentation wechseln.
VII. Gutachtenstil
Examenskandidaten verwenden zu häufig den Gutachtenstil. Eine gute Examensklausur zeichnet sich dadurch aus, dass unproblematische Aspekte gelegentlich im Urteilsstil abgehandelt und Schwerpunkte der Arbeit gutachtlich ausgearbeitet sind. Insbesondere im Strafrecht wundern sich Kandidaten mitunter, dass ihre Klausuren als „mangelhaft“ bewertet werden, obwohl sie vierzig Seiten verfasst haben. Die Länge der Bearbeitung kann sich vor allem dann negativ auswirken, wenn Sie damit offenbaren, dass Sie unwesentliche Aspekte nicht von den wesentlichen unterscheiden können. Anders ist es allerdings, wenn die Seiten mit präziser juristischer Argumentation an den maßgeblichen Stellen produziert werden. Insoweit ist gibt es eine perfekte Musterlösung, die in dem optimalen Umfang in der Prüfung nicht erreichbar ist, so dass die Notenskala nach oben nur sehr selten ausgeschöpft wird.
Auf unnötige Definitionen kann verzichtet werden. Wenn etwa im Sachverhalt steht, dass A den fünfundzwanzig Jahre alten B mit dem Messer erstochen hat, dürfen Sie im Rahmen des § 212 StGB nicht den Begriff des Menschen definieren. Dass „ein Mensch ein Individuum zwischen dem Beginn der Eröffnungswehen und dem Eintritt des Hirntodes ist“, möchte - da dies offensichtlich kein Problem darstellt – in diesem Zusammenhang kein Prüfer lesen. Viel souveräner wirkt hingegen eine gezielte Bearbeitung der rechtlichen Schwerpunkte mittels ausgeprägter methodischer Argumentation.
Soweit Sie den Urteilsstil verwenden, sind Sie dennoch gehalten, zu subsumieren (Beispiel: „Durch das Ansichreißen der Tasche des B hat A eine fremde bewegliche Sache weggenommen“). Falsch wäre die bloße Feststellung: „Eine Wegnahme liegt vor“. Sie haben stets den Sachverhaltsbezug herzustellen. Auch wenn Sie gutachtlich formulieren, dürfen Sie keine Subsumtionslöcher produzieren, indem Sie etwa nach langen Definitionen nur feststellen: „Das ist hier der Fall.“
VIII. Präzision
Prüfen Sie präzise. Zitieren Sie einschlägige Normen genau (Absatz, Satz, Alternativfall bzw. Variante). Differenzieren Sie zwischen der Alternative und Varianten. Bei historischer Betrachtung ist die Alternative nämlich für die Bezeichnung von nur zwei Möglichkeiten vorgesehen und daher enger gefasst als der Begriff der Variante. Im Ergebnis ist es daher ratsam, bei zwei Möglichkeiten vom 1. und 2. Alternativfall (Abkürzung 1. Alt. und 2. Alt.) zu sprechen. Diese Alternativfälle bilden zusammen eine Alternative. Mehr als zwei Möglichkeiten sollten Sie jeweils als Variante bezeichnen (Abkürzung: 1., 2., 3. ... Var.), wenngleich es mittlerweile zulässig aber ungenau ist, auch bei nur zwei Möglichkeiten von Varianten zu sprechen. Nennen Sie im Zivilrecht die Anspruchsgrundlagen, im Strafrecht die Tathandlungen im Obersatz (Beispiel: „A kann sich einer Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben, indem er B auf die Nase schlug.“ Nicht sachgerecht wäre: „A könnte sich gemäß § 223 Abs. 1 StGB einer Körperverletzung schuldig gemacht haben.“). Subsumieren Sie präzise, indem Sie den Gesetzeswortlaut benennen. Führen Sie den Leser von Tatbestandsmerkmal zu Tatbestandsmerkmal. Lesen Sie den Sachverhalt genau und achten Sie auf die Fallfrage. Nichts ist ärgerlicher und vermeidbarer, als Aspekte zu erörtern, die nicht gefragt sind.
Achten Sie darauf, dass Sie die zu erörternden Rechtsprobleme in einen dogmatisch überzeugenden Aufbau einfügen. Beispielsweise sind Regelbeispiele im Strafrecht nicht im Tatbestand, sondern nach der Schuld zu prüfen (etwa § 243 Abs. 1 StGB), während rechtshindernde Einwendungen im Bürgerlichen Recht nicht dem Erlöschen eines Anspruches, sondern dessen Entstehung zuzuordnen sind (nach überwiegender Auffassung z.B. die Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB). Vermag der Aufbau einer Arbeit nicht zu überzeugen, weil er den systematischen Vorgaben des Gesetzes nicht gerecht wird, wirkt sich das meist sehr negativ auf die Bewertung aus.
IX. Streitstände
Streitstände werden in Klausuren häufig sehr schematisch dargestellt (Negativbeispiel: Minderansicht, herrschende Meinung, Streitentscheid). Eine solche Abhandlung wirkt statisch, reproduziert und ist nicht empfehlenswert. Ziel muss es stets sein, eine Lösung zu entwickeln. Selbst wenn Sie vertretbare Standpunkte nicht mehr genau erinnern, sollten Sie das entsprechende Tatbestandsmerkmal dennoch problematisieren. Meist hilft es dabei, eine enge, eine weite und eine vermittelnde Ansicht zu entwickeln, zu deren Erschließung Sie sich als Denkhilfe drei konzentrische Kreise vorstellen können. Schreiben Sie keine auswendig gelernten Streitstände nieder, wenn diese nicht zur Lösung des Falles beitragen. Auswendig Lernen ist für einen guten Juristen regelmäßig ein Armutszeugnis. Jura ist wie Mathematik ins Worten und somit logisch. Es gibt Formeln, also ein System, dass im Einzelfall anzuwenden ist.
Derart sind auch Streitstände zu erörtern. Sollte ein Streitstand entscheidungserheblich sein, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, ihn ansprechend darzustellen:
1. Neutraler Aufbau
Sie können die bekannten Auffassungen neutral formulieren, wenngleich diese Darstellung nicht optimal ist, weil dargestellte Argumente insoweit noch immer auswendig gelernt anmuten (Beispiel: Die Behörde erlässt einen Kostenbescheid in Höhe von 50,- EURO und erhöht im Widerspruchsbescheid auf 100,- EURO.): „Man könnte der Auffassung sein, dass eine Verböserung im Verwaltungsrecht unzulässig ist. Da die Behörde die Belastung im Widerspruchsbescheid von € 50,- auf € 100,- erhöhte, wäre der Widerspruchsbescheid rechtswidrig. Ebenso könnte eine Verböserung zulässig sein, so dass der Widerspruchsbescheid rechtmäßig wäre. Gegen die Zulässigkeit einer Verböserung spricht Art. 19 Abs. 4 GG, weil dem Bürger der Rechtsweg erhalten bleiben soll. Bestünde aber die Möglichkeit, die Belastung im Widerspruchsbescheid zu steigern, wäre die Hemmschwelle des Bürgers, ein Verfahren anzustreben, erhöht. Außerdem würde ein Verböserungsverbot zur Rechtssicherheit beitragen. Vorzugswürdig erscheint es dennoch, eine Verböserung grundsätzlich zuzulassen. Der Sinn und der Zweck des Widerspruchsverfahrens bestehen nämlich auch in der Selbstkontrolle der Verwaltung. Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Verwaltung zu rechtmäßigem Handeln verpflichtet. Dieses kann beim Erlass eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes der Ausgangsbehörde nur durch eine Verböserung im Widerspruchsbescheid durch die Widerspruchsbehörde sichergestellt werden. Nach alledem ist die Verböserung grundsätzlich zulässig und der Verwaltungsakt nicht aufgrund der Verböserung rechtswidrig.“
2. Methodischer Aufbau
Souverän und optimal wirkt bei herausragenden Klausuren eine Herleitung des Streitstandes mittels der klassischen juristischen Auslegungsmethoden oder sonstiger Rechtsmethoden (z.B. Analogie oder teleologische Reduktion). Stellen Sie zunächst auf den Wortlaut des Gesetzes ab, und betrachten Sie dann die systematische Einordnung einer Norm. Erörtern Sie anschließend deren Sinn und deren Zweck, um so das sachgerechte Ergebnis abzuleiten. Diese Darstellungsweise ist empfehlenswert, da durch sie juristisches Verständnis offenbart und der Prüfer so wohlwollend gestimmt wird.
Beispiel zu § 816 Abs. 1 S. 1 BGB: „Vom Erlangten im Sinne des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB kann auch der Gewinn umfasst sein. Bei einer weiten Auslegung des Wortlautes des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist zunächst keine Einschränkung ersichtlich, so dass auch der erzielte Gewinn vom nichtberechtigt Verfügenden als Erlangtes herauszugeben wäre. Würde der Wortlaut hingegen eng ausgelegt werden, hätte der Verfügende nur die Befreiung von einer Verbindlichkeit erlangt, welche nicht herausgegeben werden kann. Insoweit wäre Wertersatz im Sinne des § 818 Abs. 2 BGB zu leisten. Es wäre der objektive Wert der Sache zu ersetzen, nicht aber der erzielte Gewinn. Bei Betrachtung der systematischen Einordnung des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Norm dem Bereicherungsrecht zugeordnet, welches grundsätzlich nur zum Ausgleich, nicht aber zur Erlangung eines Gewinns, der durch die Geschäftstüchtigkeit eines anderen erzielt worden ist, geschaffen worden ist. Eine Herausgabe des Gewinns ist systematisch hingegen bei der angemaßten Eigengeschäftsführung nach den §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB geregelt. Daraus ergibt sich, dass die Problematik seitens des Gesetzgebers erkannt worden und in § 816 Abs. 1 S. 1 BGB nicht geregelt worden ist, so dass sich daraus keine Einordnung des erzielten Gewinns als Erlangtes im Sinne des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt. Entscheidend sind jedoch der Sinn und der Zweck der Norm. Diesbezüglich könnte auf den Ausgleichsgedanken des Bereicherungsrechts abgestellt werden, so dass nur der objektive Wert der Sache, nicht aber der Gewinn als Erlangtes nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB einzustufen wäre. Anderenfalls würde ein möglicherweise nur irrtümlich nichtberechtigt Verfügender ungerechtfertigt einem wissentlich anmaßenden Geschäftsführer gleichgestellt werden. Allerdings ist § 816 Abs. 1 S. 1 BGB keine Variante der Leistungskondiktion, sondern eine Konstellation der Nichtleistungskondiktion. Es handelt sich deshalb um einen Rechtsfortwirkungsanspruch, mittels dessen an ein Recht an der Sache, über die ein Nichtberechtigter verfügt hat, anknüpft wird, so dass die Grundlage dieses Anspruches – die dingliche Rechtsfortwirkung – nicht mit der schuldrechtlichen Grundlage des § 687 Abs. 2 BGB vergleichbar ist. Außerdem soll der nichtberechtigt Verfügende durch seinen Eingriff in fremde Rechte keine Vorteile erlangen. Nach alledem ist der erzielte Gewinn daher nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB als Erlangtes herauszugeben.“
X. Taktik
Denken Sie bei der Anfertigung der Aufsichtsarbeit klausurtaktisch. Richten Sie beispielsweise bei Unsicherheiten das Ergebnis des Ausgangsfalles an der Fragestellung der Abwandlung bzw. der Zusatzfrage aus. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Sie in der Abwandlung oder der Zusatzfrage nur das vorherige Ergebnis wiederholen sollen. Entwickeln Sie zudem einen Spannungsbogen in ihrer Bearbeitung, indem Sie bei rechtlichen Schwerpunkten zunächst Aspekte erwägen, die Sie anschließend verwerfen, um abschließend das Ergebnis zu präsentieren. Das vermittelt dem Leser mehr Problembewusstsein und Interesse Ihrerseits, als die Darstellung des bloßen Ergebnisses.
Häufig kommt es vor, dass Sie Normen erkennen, deren Benennung eher fern liegt, die aber dennoch in Betracht kommen. Fraglich ist insoweit, ob diese nicht zu erörtern sind oder doch wenigstens erwähnt werden sollten. Ratsam ist es, derartige Normen in einem Satz abzulehnen. Bleiben Ihre Ausführungen nämlich kurz, zeigen Sie dem Prüfer, dass Sie die Norm gesehen haben und setzen dennoch keinen verfehlten Schwerpunkt. Das Risiko, dabei Notenpunkte einzubüßen, ist geringer als bei Außerachtlassung einer Norm, wenn diese in der Musterlösung angedacht ist (Positivbeispiel: „Ein Schadensersatzanspruch des A gegen B nach § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht, da das Vermögen des B als solches jedenfalls nicht als Rechtsgut im Sinne der Rechtsnorm einzustufen ist.“).
XI. Herangehensweise
Letztlich gibt es in den verschiedenen Rechtsgebieten einige fachspezifische Modalitäten zur Herangehensweise beim Entwurf Ihrer Lösungsskizze. In keinem Rechtsgebiet sollten Sie Ihre Lösungsskizze zu ausführlich gestalten. Notieren Sie nicht jedes Tatbestandsmerkmal einer Norm, weil die Gefahr besteht, dass Sie die Schwerpunkte nicht kennzeichnen und sich die Verfehlung derselben auf die Reinschrift überträgt. Kennzeichnen Sie nur die Probleme [Beispiel: Diebstahl nach § 242 StGB (+) Problem: Wegnahme; § 263 StGB Betrug (+) Problem: Vermögensverfügung].
1. Strafrecht
Nachdem Sie den Sachverhalt erfasst haben, sollten Sie auf einem Zeitstrahl die verschiedenen Handlungen der zu prüfenden Personen einzeichnen. Bilden Sie dann gegebenenfalls Tatkomplexe. Anschließend sollten Sie den Besonderen Teil des Inhaltsverzeichnisses des Strafgesetzbuches für jede Person durchgehen und alle in Betracht kommenden Normen notieren, um sie dann nach der Schwere der Delikte zu sortieren und Ihren Tatkomplexen zuzuordnen. Danach ist zu überlegen, ob Probleme bezüglich des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches bestehen, um anschließend eine schwerpunktorientierte Lösungsskizze erstellen zu können. Im Zwischenergebnis beim einzelnen Delikt ist zunächst nur die Schuld der zu überprüfenden Person anzunehmen. Erst nach der Erörterung der Konkurrenzen steht die Strafbarkeit fest.
2. Öffentliches Recht
Im Öffentlichen Recht gibt es aufgrund der verschiedenen Klagearten, Verfahren oder Fallfragen kaum allgemeine Hinweise. Sie sollten aber darauf achten, ob die Fallfrage auf einen prozessualen oder materiell-rechtlichen Aufbau gerichtet ist. Die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Verfahren sind stringent zu trennen. Als Vorüberlegung sind Streitverhältnis, Streitgegenstand und Aufbau zu klären. Zudem sollten Sie sich überlegen, ob es um Verfassungsrecht, Völkerrecht, Europarecht oder um Verwaltungsrecht bzw. eine Verknüpfung der Bereiche geht. Im Verfassungsrechtlichen Bereich ordnen Sie die Konstellation zunächst der Bundes- oder der Landesebene zu, um dann die materiellen Aspekte gegebenenfalls einem verfassungsprozessualen Verfahren zuzuordnen. In verwaltungsrechtlichen Klausuren überlegen Sie sich zunächst, welche materiellen Abwehr- bzw. Leistungsansprüche geltend gemachte werden, um diese dann gegebenenfalls prozessual einzukleiden.
3. Bürgerliches Recht
Im Bürgerlichen Recht sollten Sie sich nach der Erfassung des Sachverhaltes zunächst eine große Skizze zeichnen und sich anschließend - mag es auch banal klingen - fragen, „wer von wem was woraus“ verlangen kann. Haben Sie geklärt, wer von wem etwas erlangen kann, müssen Sie bei der Frage nach dem „was“ eine Einordnung nach Rechtsfolgen vornehmen (Schadensersatz, Herausgabe, Surrogate…). Bei der Feststellung des „woraus“ ist das Anspruchssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches gedanklich durchzugehen (vertragliche Ansprüche, quasivertragliche Ansprüche, Geschäftsführung ohne Auftrag, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, Bereicherungsrecht, Deliktsrecht). Je nach Fallfrage kann es auch nur um sachenrechtliche Herausgabeansprüche oder um die Ausübung von Gestaltungsrechten gehen. Nach diesen Vorüberlegungen können Sie eine Lösungsskizze erstellen.
XII. Methodenlehre in der Aufsichtsarbeit
Kenntnisse in der Methodenlehre sind auch in derAufsichtsait unterlässlich.
Eine wichtige Rechtsfindungstechnik ist die Gesetzesauslegung. Ist eine Formulierung des Gesetzes nicht eindeutig, bedarf es einer Auslegung des Gesetzes, um festzustellen, wann die Rechtsfolge der Norm eintreten und wann dies nicht geschehen soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Auslegung der Norm wegen ihrer Abstraktheit in einer Vielzahl von Fällen zu einem tragbaren Ergebnis führen muss. Eine Auslegung hat deshalb in einer solchen Weise zu erfolgen, dass der durch die Auslegung der Norm herbeigeführte Anwendungsbereich zur sachgerechten Lösung einer möglichst großen Anzahl von juristisch zu beurteilenden Lebenssachverhalten führt. Regelmäßig werden zur Auslegung vier Auslegungsmethoden herangezogen.
Zunächst ist bei der Auslegung vom Wortlaut des Gesetzes auszugehen. Der Gesetzgeber verwendet eine Sprache, die zwar partiell aus juristischen Fachtermini, zum größten Teil aber aus gebräuchlichen Worten besteht. Dieser Wortlaut ist häufig nicht eindeutig formuliert und es sind verschiedene Deutungen desselben möglich. Den Sinn der Norm kann der Rechtsanwender ihrem Wortlaut meist nicht entnehmen. Allerdings enthält der Wortlaut des Gesetzes zumindest eine Begrenzung der Auslegungsmöglichkeiten, weshalb Interpretationen des Gesetzestextes, die sich aus dem Wortlaut der Norm nicht ableiten lassen, von einer Auslegung des Gesetzes nicht mehr gedeckt sind. Wird eine Norm über die Grenzen des Wortlautes hinaus angewandt, kann es sich allenfalls um eine Anwendung der Norm über den Wortlaut hinaus – eine Analogie – handeln. Eine Analogie ist aber keine Form der Auslegung, sondern die Ergänzung des Gesetzes, deren Zweck es ist, eine Gesetzeslücke zu schließen. Eine entsprechende Anwendung einer Norm ist in Abgrenzung zur Analogie – mögen beide Methodenmittel sprachlich auch vergleichbar sein – in der Methodenlehre anzunehmen, soweit sie explizit im Gesetz angeordnet ist. Für eine Auslegung des Gesetzestextes ist der Wortlaut somit zunächst das entscheidende Kriterium.
Falls sich aus dem Wortlaut kein endgültiger Aufschluss über den Sinn der auszulegenden Norm ergibt, kann der Rechtsanwender das Umfeld der Norm zu deren Einordnung heranziehen und eine systematische Auslegung vornehmen. Entscheidend ist dabei der Standort einer Norm im Gesetz. Es kommt beispielsweise darauf an, in welchem Teil des Gesetzes die auszulegende Norm steht, welche Überschrift dem Abschnitt zugewiesen ist, in dem die auszulegende Norm geregelt ist und welcher systematische Zusammenhang sich aus den Regelungen vor und nach der auszulegenden Norm ergibt. Aus den vorherigen oder folgenden Normen können auch im Hinblick auf ein Zusammenspiel mit anderen Normengruppen eines anderen Standortes des anzuwendenden Gesetzes oder mit anderen Normengruppen in anderen Gesetzen wieder Rückschlüsse auf die Deutung der auszulegenden Einzelnorm abgeleitet werden. Andere im Wortlaut vergleichbare Vorschriften und die dort vorgenommene Interpretation des Wortlautes können bei der systematischen Auslegung maßgeblich sein. Der systematische Zusammenhang einer Norm unter Berücksichtigung der Gesamtstruktur des Gesetzes kann daher für ihre sachgerechte und sinnvolle Auslegung entscheidend sein. Für die Vornahme einer Wertung des Rechtsanwenders im Rahmen eines Wertungsspielraumes bedeutet dies, dass der systematische Zusammenhang einer Norm durch den Wertungsspielraum verengt werden kann.
c) Historische Auslegung
Neben dem Wortlaut und der systematischen Einordnung einer Norm kann auch der historische Hintergrund der Entstehung für ihre Auslegung und somit für die Ermittlung gesetzlicher Wertungen von Bedeutung sein. Untersucht der Rechtsanwender die Gesetzesmaterialien zur Entstehung der Norm, kann er in Erfahrung bringen, welche Absicht der Gesetzgeber mit der Schaffung der Norm verfolgte. Dabei ist aber zu beachten, dass die auszulegende Norm zwar als Gesetz vom Parlament verabschiedet worden ist, die Gesetzesmaterialien aber in der Regel aus Kommissionen oder Ministerien stammen, so dass sie nur einen bedingten Aussagewert enthalten. Hinzu kommt der stetige Wandel der Gesellschaft, aufgrund dessen der Anwendungsbereich einer Norm verändert werden kann. Die auszulegende Norm kann an den Zeitgeist angepasst worden sein und somit von dem ursprünglichen historisch ermittelten Zweck losgelöst worden sein. Insofern ist die historische Auslegung als eigenständige Auslegungsmethode in Einzelfragen nur bedingt förderlich. Die Grenzen der Außerachtlassung des Willens des Gesetzgebers bei Inkrafttreten der Norm - also der Nichtberücksichtigung des historischen Hintergrundes - sind allerdings die grundsätzlichen Interessenbewertungen und die erkennbaren Regelungsabsichten des Gesetzgebers. In der Aufsichtsarbeit im Examen wird eine historische Auslegung in der Regel nicht erfolgen. Ausnahmsweise ist dies in evidenten Konstellationen (z.B. im Verfassungsrecht im Hinblick auf Erfahrungen mit der Weimarer Reichsverfassung) zulässig.
d) Teleologische Auslegung
Die regelmäßig entscheidende Auslegungsmethode ist die teleologische Auslegung. Dabei wird der Regelungszweck der Norm ermittelt. Dieser Zweck kann wiederum an der Historie orientiert werden; er kann aber auch an dem gesellschaftlichen Wandel unter der Berücksichtigung anderer - mit der auszulegenden Norm im Zusammenhang stehender - Normen ermittelt werden. Der Zweck der auszulegenden Norm muss insoweit vom Rechtsanwender herausgestellt werden. Dabei wird objektiv und unabhängig von der Zeit der Entstehung der allgemein gültige und noch aktuelle Sinn der auszulegenden Vorschrift ermittelt. Die Vielzahl der sozialen, wirtschaftlichen und technischen Veränderungen, die vom historischen Gesetzgeber nicht vorhergesehen werden konnten, dürfen bei der teleologischen Auslegung nicht unbeachtet gelassen werden. Auch allgemein verankerte Rechtsprinzipien sind bei der teleologischen Auslegung heranzuziehen. Dazu zählt beispielsweise das sich aus § 242 BGB ergebende Prinzip von Treu und Glauben. Als Grenze der Auslegung ist aber auch bei der teleologischen Auslegung der Wortlaut der Norm einzustufen. Teleologisch kann der Rechtsanwender eine Norm in der Regel entweder weit oder eng interpretieren. Ausnahmevorschriften sind grundsätzlich eng auszulegen. Auch bei Ausnahmevorschriften hat der Rechtsanwender aber den Grund zu berücksichtigen, aus dem der Gesetzgeber gerade die genannten Konstellationen explizit ausgenommen hat. Insoweit können bei der Zweckermittlung auch subjektive Beweggründe des Gesetzgebers relevant werden. Gilt die Ausnahme unter der Berücksichtigung des Grundes nur für eine bestimmte Gruppe von Konstellationen, kann sich der Rechtsanwender mittels einer teleologischen Auslegung nicht darüber hinwegsetzen.
2. Weitere Rechtsfindungstechniken in der Aufsichtsarbeit
Weitere Rechtsfindungstechniken sind die Analogie, die teleologische Reduktion, das argumentum a maiore ad minus und der Umkehrschluss.
Eine Analogie ist die Übertragung der für einen Tatbestand im Gesetz vorgegebenen Regel auf einen ihm ähnlichen Tatbestand, für den die Regel im Gesetz nicht vorgegeben ist. Der vom Rechtsanwender zu lösende Fall ist vom Wortlaut einer Norm nicht erfasst, obwohl er nach dem Sinn und dem Zweck der Regelung erfasst sein müsste. Grundsätzlich ergibt sich der Gedanke der Analogie aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Nach dieser Norm sind vergleichbare Konstellationen vom Staat gleich und nicht vergleichbare Fälle ungleich zu behandeln. Der Wortlaut einer Vorschrift ist zu eng gefasst, so dass es geboten erscheint, die Norm dennoch anzuwenden. Wie bereits erörtert, ist die Analogie keine Auslegung, da eine Auslegung wenigstens im weitesten Sinn noch am Wortlaut orientiert ist. Während bei einer weiten Auslegung der Wortlaut so gelesen werden kann, dass der zu lösende Fall von der Norm noch direkt erfasst wird, ist Sachverhalt bei einer Analogie auch mit Hilfe einer weiten Auslegung nicht unter den Wortlaut der Norm subsumierbar. Die Norm wird vielmehr angewandt, obwohl die zu lösende Konstellation vom äußeren Wortsinn nicht erfasst ist.
Eine Analogie darf jedoch nicht gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers erfolgen, denn der Rechtsanwender ist durch die Verfassung an die Gesetze gebunden – vgl. Art. 20 Abs. 3 GG – und darf sich nicht zum Ersatzgesetzgeber erheben. Vorgaben und Wertungen des Gesetzgebers sind insoweit zu beachten. Bei der Rechtsanwendung durch ein Gericht ist auch der Grundsatz der Gewaltenteilung zu berücksichtigen, aus dem sich ergibt, dass die Judikative grundsätzlich keine Legislativfunktionen ausüben darf. Vereinzelte Ausnahmen sind nur im Rahmen einer Durchbrechung der Gewaltenteilung zum Beispiel in Form einer Gewaltenverlagerung bei Verordnungen vorgesehen.
Eine Voraussetzung einer Analogie ist eine Regelungslücke im Gesetz. Es darf keine anwendbare Norm existieren, aus der sich eine direkte Lösung des Rechtsproblems ergibt. Anderenfalls wäre der Rechtsanwender nämlich an die ausdrückliche Regelung des Gesetzgebers gebunden. Wird keine Regelung gefunden, besteht eine Gesetzeslücke.
Eine weitere Voraussetzung der Analogie ist die Planwidrigkeit der Gesetzeslücke. Die Gesetzeslücke muss auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhen. Die zu beurteilende Fallkonstellation muss daher vom Gesetzgeber übersehen worden sein müssen oder es muss sich um eine Konstellation handeln, die der Gesetzgeber aufgrund neuerer gesellschaftlicher Entwicklungen bei der Verabschiedung der analog anzuwendenden Norm nicht voraussehen konnte, weil die gesellschaftlichen Veränderungen erst nachträglich eingetreten sind. Auch die Voraussetzung der Planwidrigkeit der Gesetzeslücke ist unter anderem auf Art. 20 Abs. 3 GG zurückzuführen. Sollte der Gesetzgeber das Rechtsproblem nämlich erkannt und dennoch nicht in der vermeintlich analog anzuwendenden Norm geregelt haben, entspricht die Nichtanwendung der vermeintlich analog anzuwendenden Norm gerade dem Willen und den Wertungen des Gesetzgebers, über welche sich der Rechtsanwender nicht hinwegsetzen darf, zumal Wesentliches ohnehin vom Gesetzgeber zu regeln ist.
Zuletzt bedarf es einer vergleichbaren Interessenlage, um eine Norm analog anwenden zu können. Diese Voraussetzung ist auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführen, wonach wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Es kommt darauf an, ob der Sinn und der Zweck der in der analog anzuwendenden Norm geregelten Konstellation dem Sinn und Zweck des nicht geregelten Falles bei vergleichbarer Interessenlage entsprechen. Dabei ist zwischen der Gesetzesanalogie – auch Einzelanalogie genannt – und der Rechtsanalogie – auch Gesamtanalogie genannt – zu unterscheiden.[2] Während es bei der Gesetzesanalogie darum geht, eine Einzelnorm ihrem Sinn und ihrem Zweck nach auf eine durch sie nicht ausdrücklich geregelte Konstellation anzuwenden, wird bei der Rechtsanalogie ein mehreren Normen immanenter Rechtsgedanke herangezogen.
b) Teleologische Reduktion
Anders als bei der Analogie ist die zu beurteilende Fallkonstellation bei der teleologischen Reduktion vom Wortlaut einer Norm erfasst, obwohl dies dem Sinn und dem Zweck der Norm zuwiderläuft. Eine Ausnahmeregelung, welche zur Nichtanwendbarkeit der Norm führen würde, ist vom Gesetzgeber nicht geschaffen worden, weil die zu lösende Konstellation übersehen worden ist. Es besteht eine verdeckte Regelungslücke. Die ihrem Wortlaut nach zu weit gefasste Regel wird in ihrer Anwendung wegen ihres Regelungszwecks oder Sinnzusammenhangs teleologisch reduziert.[3]
Das Verhältnis der teleologischen Reduktion zur einschränkenden Auslegung ist vergleichbar mit dem Verhältnis der Einzelanalogie zur erweiternden Auslegung. Während eine einschränkende Auslegung trotz restriktiver Anwendung der auszulegenden Norm noch von ihrem Wortlaut erfasst ist, erfolgt die Nichtanwendung der Norm auf den zu beurteilenden Sachverhalt bei einer teleologischen Reduktion wider den Wortlaut. Obwohl die zu lösende Fallkonstellation vom Wortlaut der Norm eigentlich erfasst ist, wird die Norm nicht angewandt. Es wird insoweit eine Korrektur des Gesetzes vorgenommen. Im Hinblick auf Art. 20 GG ist eine teleologische Reduktion daher nur möglich, soweit sie den Zielsetzungen des Gesetzgebers nicht zuwiderläuft – soweit der Gesetzgeber die zu erörternde Fallkonstellation also nicht bedacht hat. Die Vorstellungen des Gesetzgebers sind wiederum durch Auslegung zu ermitteln. Durch eine teleologische Reduktion wird die Norm durch eine Wertung des Rechtsanwenders, welche wiederum auf Wertungen des Gesetzgebers an anderer Stelle basiert, derartig reduziert, dass sie in das System bereits bestehender Wertungsmodelle eingefügt werden kann. Im Verwaltungsrecht ist in Ausnahmefällen beispielsweise eine verfassungskonforme Reduktion denkbar, die fälschlicherweise oft noch als verfassungskonforme Auslegung bezeichnet wird. Sie ist das mildere Eingriffsmittel gegenüber der Nichtigkeitsfeststellung bezüglich der Norm im Hinblick auf die Gewaltenteilung, jedoch ist sie verfassungsrechtlich nicht unbedenklich.
Es gibt weitere Rechtsfindungstechniken, durch welche unser Rechtssystem geprägt ist und die im Rechtsfindungsprozess von Bedeutung sind. Ein Beispiel ist das „argumentum a maiore ad minus“, welches beinhaltet, dass ein logischer Schluss vom Größeren zum Kleineren zugelassen wird.[4] Wenn die Rechtsfolge einer Norm daher für einen Tatbestand gilt, muss sie für einen anderen Tatbestand erst recht gelten, wenn der Inhalt des Gesetzes in noch größerem Maß auf den ähnlichen Tatbestand zutrifft. Dogmatisch ist das argumentum „a maiore ad minus“ je nach Norm entweder als Auslegung einer Norm einzustufen, so dass sie noch direkte Anwendung findet, oder es kann als ein Sonderfall der Analogie eingeordnet werden.
Ein weiteres Instrument ist das „argumentum e contrario“ – der Umkehrschluss.[5] Ein solcher beinhaltet, dass deshalb, weil im Gesetz die Rechtsfolge nur an einen Tatbestand geknüpft wird, in anderen Konstellationen – auch wenn sie ähnlich gelagert sind – nicht einschlägig ist. Wird der Umkehrschluss in eine Relation zur Analogie gesetzt, fehlt es – anders als bei der Analogie – an einer planwidrigen Gesetzeslücke, weil der Gesetzgeber die Gesetzeslücke in den Konstellationen des Umkehrschlusses beabsichtigt hat. Das bedeutet nicht, dass immer dann, wenn es an einer Gesetzeslücke fehlt, ein Umkehrschluss zulässig ist. In der Konsequenz setzt die Annahme eines Umkehrschlusses jedoch eine vorherige Auslegung dahingehend voraus, dass zunächst ermittelt worden ist, ob der Tatbestand eben „nur“ in den ausdrücklich genannten Konstellationen anwendbar sein soll. Ergibt sich aus der Auslegung keine Planmäßigkeit der Gesetzeslücke, ist eine Analogie wegen der dann gegebenen Planwidrigkeit der Gesetzeslücke möglich, sodass die Annahme eines Umkehrschlusses insoweit ausgeschlossen ist.
XIII. Fehlerkorrektur
Schließlich möchte ich Ihnen noch einmal nahe legen, aus Ihren Fehlern zu lernen. Vollziehen Sie Korrekturen sorgfältig nach und nehmen Sie Verbesserungshinweise an.
[1] Zu den gesamten methodischen Ausführungen vgl. Bork BGB AT Rn. 115 ff.
[2] Zum Ganzen: vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre S. 204 ff.
[3] Zum Ganzen: vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre S. 210; vgl. ferner Pawlowski, Methodenlehre Rn. 487.
[4] Vgl. Staudinger/Coing Einl. zum BGB Rn. 159.
[5] Vgl. Pawlowski, Methodenlehre Rn. 488.
[title] Effektiver Rechtsschutz im Verwaltungsrecht – Rechtsstaat, quo vadis? [/title]
Die Entwicklung der Rechtsschutzmöglichkeiten im Verwaltungsrecht ist aufgrund diverser – insbesondere aus Kostengründen durchgeführter – Gesetzesreformen höchst bedenklich.
a) Ausbildung und Widerspruchsverfahren
Zunächst nimmt die Qualität der Ausbildung der Beamten und der Angestellten im Öffentlichen Dienst stetig ab. Ausbildungsberufe sind bei gleichzeitiger Senkung des Anforderungsprofils zu Studiengängen hochgestuft worden. Dadurch sinkt die Qualität der Arbeit der Behörden, während die Kosten für den einzelnen nunmehr „Studierten“ steigen mit der Folge, dass es gleichzeitig weniger Personal gibt.
In Anlehnung an diese strukturelle Schwäche wird mittlerweile in großem Umfang von der Regelung des § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO Gebrauch gemacht, so dass das Widerspruchsverfahren zunehmend entfällt.
b) Verwaltungsgerichtliches Verfahren
Bei Ausklammerung der Verfahren, für die ausnahmsweise unmittelbar das Oberverwaltungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht zuständig sind, verbleibt eine recht geringe Rechtsschutzmöglichkeit.
Da die Verwaltungsgerichte unterbesetzt sind, gibt es – sogar bei Eilanträgen – je nach Bundesland oft erhebliche Wartezeiten. Oft machen die Gerichte von der Übertragung auf den Einzelrichter im Sinne des § 6 VwGO Gebrauch. Im Falle eines Urteils bleibt dann lediglich der Antrag auf die Zulassung der Berufung im Sinne des § 124 VwGO, der gemäß § 124 Abs. 2 VwGO an sehr hohe Anforderungen geknüpft ist. Das war vor Jahren anders, weil zum Beispiel die Berufung ohne besondere Hürden offen war. Alternativ ist die Sprungrevision im Sinne des § 134 VwGO möglich, jedoch bedarf es insoweit der Zustimmung des Beklagten und der Zulassung durch das Verwaltungsgericht.
Das Bundesverwaltungsgericht ist nur ausnahmsweise originär, in den wenigen Konstellationen der Sprungrevision und in den Fällen der Revision im Sinne des § 132 VwGO zuständig. Die Revisionsgründe sind allerdings noch enger formuliert als die Gründe für die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht. Die Verletzung des Landesrechts ist gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zum Beispiel nur ein Revisionsgrund, soweit es sich um eine Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes handelt, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt.
In diversen Konstellationen ist der Verwaltungsrechtsweg also mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil beendet. Im schlimmsten Fall ist das Urteil vom Einzelrichter ohne vorheriges Widerspruchsverfahren gesprochen worden, so dass der Bürger sich einem einzelnen Richter ausgeliefert sieht.
c) Verfassungsbeschwerde, Europäische Gerichte und IGH
Ist der Verwaltungsrechtsweg erschöpft, kommen nur Anträge beim Bundesverfassungsgericht, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) oder beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Betracht. Der Internationale Gerichtshof (IGH) ist nur für Verfahren auf der Ebene der Vereinten Nationen maßgeblich. Die Möglichkeiten bei allen diesen Gerichten sind sehr begrenzt.
aa) Verfassungsbeschwerden
Als Rechtsanwalt für Verfassungsbeschwerden ist Rechtsanwalt Dr. Arne-Patrik Heinze bekannt, dass über 90 % der Verfassungsbeschwerden erfolglos sind, während die Prozentzahl für Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht noch etwas höher ist. Darüber hinaus ist das Bundesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz, so dass dort nur spezifische Verfassungsverletzungen geltend gemacht werden können. Möglich ist es, innerhalb eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mittels einer Vorlage im Rahmen der konkreten Normenkontrolle im Sinne des Art. 100 GG zum Bundesverfassungsgericht zu gelangen.
bb) Verfahren beim EGMR
Soweit Anträge beim Bundesverfassungsgericht erfolglos sind, sind die nationalen Rechtsbehelfe so wie in Art. 35 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) gefordert ausgeschöpft. Dann ist ein Verfahren beim EGMR möglich, welches allerdings nur auf die EMRK gestützt werden kann. Die EMRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag, bezüglich dessen es ein Zustimmungsgesetz und ein Transformationsgesetz gab, so dass sie in Deutschland als einfaches Recht gilt. Dennoch ist sie bei völkerrechtsfreundlicher Auslegung des Grundgesetzes insbesondere im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu beachten, so dass das Bundesverfassungsgericht sich mittelbar auch an die Entscheidungen des EGMR hält. Ein Antrag beim EGMR wird nur Erfolg haben, soweit die EMRK verletzt ist und die nationalen Gerichte diese Verletzung nicht erkannt haben.
cc) Verfahren beim EuGH
Der Individualrechtsschutz beim EuGH ist sehr begrenzt. Möglich ist verfahrensrechtlich ein Individualverfahren im Sinne des Art. 263 Abs. 4 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Denkbar ist in Einzelfällen ein Eilrechtsschutz zum Beispiel im Sinne des Art. 279 AEUV. Möglich ist auch eine Vorlage beim EuGH gemäß Art. 267 AEUV im Rahmen eines nationalen Gerichtsverfahrens. Der EuGH prüft primäres Unionsrecht (Verträge, Protokolle und Anhänge), zu dem gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV (Vertrag der Europäischen Union) auch die Charta der Grundrechte der EU (Europäische Union) gehört. Dazu gehören auch die Grundfreiheiten. Sekundäres Unionsrecht sind insbesondere Verordnungen, EU-Richtlinien (nicht zu verwechseln mit Verwaltungsrichtlinien) und Beschlüsse. Die EMRK strahlt wie die nationalen Verfassungen gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV mittelbar in die Auslegung des Unionsrechts ein. So wie die EMRK bei der Auslegung des Grundgesetzes zu berücksichtigen ist, kann der EuGH sie auf Unionsebene berücksichtigen.
Das Verhältnis der Anwendbarkeit der Charta der Grundrechte der EU zu nationalen Grundrechten ist auch aufgrund neuerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH weiterhin problematisch. Während das Bundesverfassungsgericht die so genannte solange-Rechtsprechung partiell von der Prüfungs- auf die Verwerfungsebene verlagert und den Anwendungs- bzw. Prüfungsbereich der nationalen Grundrechte erweitert, entscheidet der EuGH gegenteilig, indem er die Charta der Grundrechte der EU partielle bereits anwendet, wenn lediglich ein Bezug zu einer Grundfreiheit besteht. In der Folge ist das Verhältnis des nationalen Verfassungsrechts im Verhältnis des Unionsrechts wegen des Anwendungsvorranges des Unionsrechts problematisch.
d) Ausblick
Der effektive Schutz des Bürgers gegen staatliche Gewalt wird auch aus Kostengründen zunehmend verkürzt. In einer erheblichen Anzahl verwaltungsgerichtlicher Fälle ist entfällt das Widerspruchsverfahren und es entscheidet ein Einzelrichter ohne weitere Instanzen. Umso wichtiger ist es, schon in einem frühen Stadium eines Verwaltungsverfahrens professionell und fachlich kompetent anwaltlich vertreten zu werden. Eine Reform des Verwaltungsprozessrechts, mittels derer der Rechtsschutz des Bürgers erweitert wird, ist leider nicht absehbar. Vielmehr ist eine Tendenz erkennbar, dass der Rechtsstaat aus Kostengründen weiter verschlankt werden wird, so dass der Rechtsschutz des Bürgers eher weiter verringert werden dürfte.